Brauchte man früher noch spezielle Objektive, um den tollen Fotoeffekt Tilt-Shift manuell nachzustellen, so genügt heutzutage das kostenlose Bildbearbeitungsprogramm GIMP. Mit den tollen Objektiven für die eigene Spiegelreflexkamera kann man die Schärfeebene verlagern und so richtig schön mit selektiver Unschärfe herumexperimentieren. Da die Preise für ein solches Schätzchen aber leider meist erst im vierstelligen Bereich beginnen, möchte ich euch in meinem heutigen Tutorial zeigen, wie ihr eure Bilder kostengünstig am heimischen Rechner so nachbearbeitet, dass am Ende ein toller Miniatureffekt steht und alles wie auf der Modelleisenbahn aussieht.
Bevor wir mit dem Tutorial beginnen, ein paar generelle Anmerkungen zur Auswahl eurer Bilder, die sich besonders gut für den Tilt-Shift-Effekt eignen:
- Bilder, die von schräg oben geschossen wurden
- Fotos, auf denen neben dem Hauptmotiv nicht allzu viele Motive sind, die vom Kern des Bildes ablenken könnten
- Fotografien, die richtig knackig scharf sind
Tutorial Step 1
Die beiden ersten Eigenschaften sind bei meinem Beispielbild (© Alain Gavillet, Flickr.com) bereits erfüllt. Nur mit der letzten Eigenschaft klappt es nicht so ganz. Nachdem wir das Bild also in GIMP geöffnet haben (Menüpunkt Datei->Öffnen oder mittels Shortcut Strg+O) duplizieren wir die Hintergrundebene (Ebene->Ebene duplizieren). Die Ebenenkopie müssen wir nun erst einmal vorsichtig nachschärfen. Dazu verwende ich gerne den Filter „Unscharf maskieren“. Diesen findet ihr unter dem Menüpunkt Filter->Verbessern->Unscharf maskieren. Die hier angegebenen Werte sind natürlich individuell für das jeweilige Bild einzustellen. Falls ihr euch zum Schärfen von Bildern nochmal etwas genauer belesen wollt, so kann ich euch noch folgenden Blog-Artikel empfehlen. Wenn euer Bild von vornherein schon gestochen scharf ist, könnt ihr das Nachschärfen natürlich gleich überspringen.
Tutorial Step 2
Wenn das Bild dann schön scharf ist, müsst ihr wieder Unschärfe in das Bild bringen. Dazu geht ihr für die kopierte Ebene auf Filter->Weichzeichnen->Gaußscher Weichzeichner. Auch hier müsst ihr wieder ein wenig herumprobieren. Ich habe hier einen Weichzeichenradius von 12 px gewählt. Man kommt aber, je nachdem wie stark der Effekt ausfallen soll, auch mit einem größeren oder kleineren Radius zum Ziel.
Tutorial Step 3
Nun müsst ihr das Hauptmotiv, das dann eben wieder scharf wirken soll, mit dem Elliptische Auswahl-Werkzeug (E) umrahmen. Natürlich könnt ihr die Auswahl auch mit dem Freie Auswahl-Werkzeug (F) oder dem Pfad-Werkzeug (B) erstellen.
Tutorial Step 4
Damit der Übergang zwischen scharfen und unscharfen Bereichen danach schön weich wirkt, müsst ihr die Auswahl mit einer weichen Kante versehen. Dazu geht ihr auf Auswahl->Ausblenden und gebt einen Radius von 300 px ein.
Tutorial Step 5
Jetzt müsst ihr mit rechts auf die kopierte Ebene im Ebenenfenster klicken und auf „Ebenenmaske hinzufügen“ gehen. Im sich öffnenden Fenster setzt ihr den Haken bei „Weiß (Volle Deckkraft)“ und bestätigt diese Eingabe mit OK.
Tutorial Step 6
Als Vordergrundfarbe wählt ihr nun Schwarz (#000000) und als Hintergrundfarbe ein mittleres Grau (#808080). Dann ruft ihr das Verlaufswerkzeug (L) auf und stellt einen kreisförmigen Verlauf von VG zu HG ein. Von der Mitte der Auswahl zieht ihr mit dem Verlaufswerkzeug einen Verlauf in Pfeilrichtung nach außen. Haltet dabei die Strg-Taste gedrückt, um den Verlauf auch exakt horizontal auszuführen. Achtet dabei darauf, dass ihr auf der aktivierten Maske arbeitet. Das erkennt ihr daran, dass die Maske im Ebenenfenster weiß umrahmt ist.
Tutorial Step 7
Nun könnt ihr die Auswahl mit der Tastenkombination Umschalt+Strg+A aufheben. Mit einem weichen Pinsel (Shortcut P, z.B. „2. Hardness 025“) könnt ihr nun die Maske noch etwas verfeinern. Dabei müsst ihr mit der Größe der Pinselspitze und der Deckkraft ein wenig herumprobieren. Als Pinselfarbe stellt ihr Schwarz (#000000) ein. Wenn ihr euch vermalt haben solltet, könnt ihr euren Fehler in der Ebenenmaske einfach wieder mit Weiß als Vordergrundfarbe korrigieren.
Tutorial Step 8
Jetzt müsst ihr mit Klick auf die Ebenenminiatur des Bildes wieder das Foto anstatt der Maske aktivieren. Dann erhöht ihr zunächst den Kontrast des Bildes noch ein wenig. Dazu geht ihr auf Farben->Kurven und bildet in den Gradationskurven eine leichte S-Kurve nach. Wie schon mehrfach erwähnt, ist auch diese hier gezeigte Einstellung nur als Richtwert anzusehen. Ihr müsst die Kurve ganz individuell auf euer Bild anpassen beziehungsweise entscheiden, ob nicht vielleicht euer Ausgangsbild sogar schon kontrastreich genug ist.
Tutorial Step 9
Jetzt müsst ihr die Sättigung des Bildes vorsichtig noch ein wenig anheben. Dazu geht ihr auf Farben->Farbton/Sättigung. Ich habe mich hier dazu entschieden, nur die im Bild dominierenden Farben separat anzuheben und nicht die Sättigung aller Farben gleichmäßig zu erhöhen. Die Farben, die ich in meinem Bild angeglichen habe, sind rot umrahmt. Dabei reicht bei mir die Spanne von 10 bis 35.
Tutorial Step 10
Alles noch auf eine Ebene vereinen (Obere Ebene aktivieren, dann auf Ebene->Nach unten vereinen) und Abspeichern-Fertig!
Tutorial Fertig!
Damit seid ihr dann auch schon wieder am Ende des Tutorials angelangt. Ich habe euch hier unten die Steps 1 bis 10 des Tutorials noch einmal als XCF-Datei zum Download bereitgestellt.
Weitere Beispiele des Tilt-Shift-Effekts
Hier mal noch ein weiteres Beispiel, das ich mit genau dieser hier oben beschriebenen Methode erstellt habe. Wenn ihr noch mehr schicke Beispiele sehen möchtet, dann klickt euch doch einmal bei den Kollegen des Smashing Magazines rein. Dort sind viele tolle Fotos und auch ein paar Videos zu diesem Thema zu finden.
GIMP wäre natürlich nicht GIMP, wenn es für den Tilt-Shift-Effekt nicht auch ein entsprechendes Plugin geben würde. Ich stelle euch das Toy-Plugin und das Focus-Blur-Plugin einmal vor.
Toy-Plugin Step 1
Das von Rüdiger Schneider geschriebene Toy-Plugin findet ihr hier als Mac-Version und hier hat sich jemand die Mühe gemacht, es auch als Windows-Version zu kompilieren. Wie ihr dieses Plugin installiert, könnt ihr hier nachlesen. Dieses Plugin sollte in den GIMP-Versionen 2.4 bis zur aktuellen Version 2.8 ohne Probleme funktionieren. Nachdem ihr GIMP (neu-)gestartet habt, öffnet ihr euer Bild (© Great Degree, Flickr.com) (Strg+O). Dann solltet ihr das Plugin unter dem Menüpunkt Filter->Weichzeichnen->Toy finden.
Toy-Plugin Step 2
Es öffnet sich ein Extra-Fenster, in dem ihr nun verschiedene Einstellungen vornehmen könnt. Ihr könnt den Weichzeichenradius, den Kontrast und die Sättigung festlegen. Dann findet ihr im Bild links noch einen roten und einen grünen Schiebepunkt. Mit dem roten Punkt legt ihr den Ursprung eures Effektes fest und verstellt den Winkel der Weichzeichnung. Haltet ihr die Umschalt-Taste gedrückt, während ihr den roten Punkt anfasst, so könnt ihr ihn damit schnell an jede beliebige Stelle im Bild verschieben. Ihr müsst hier einfach mal ein bisschen rumprobieren.
Toy-Plugin Step 3
Wenn euch das Ergebnis noch nicht auf Anhieb gefällt, könnt ihr diesen Filter mit Strg+Z ganz einfach wieder rückgängig machen und euch über Umschalt+Strg+F erneut anzeigen lassen. Dann könnt ihr die Einstellungen verändern und den Filter erneut anwenden. Die Ebenenmaske könnt ihr natürlich auch bei diesem Filter, wie in Step 6 beschrieben, bearbeiten.
Focus-Blur-Plugin
Ein weiteres GIMP-Plugin, mit dem ihr den Tilt-Shift-Effekt erzeugen könnt, ist das Focus-Blur-Plugin. Dessen Mac-Version gibt es hier. Die Windows-Variante findet ihr hier. Hier müsst ihr wieder einfach etwas herumexperimentieren. Wie ihr dieses Plugin anwendet um den gewünschten Effekt zu erzeugen, könnt ihr hier nachlesen.
2 Kommentare
Hi Thomas, super! Ich möchte in GIMP gerne ein Bild wie eine Bleistiftzeichnung aussehen lassen, weißt du, ob es da einen Filtereffekt oder ähnliches gibt?
Danke und Grüße! peter
Hallo Peter,
natürlich geht das auch mit GIMP. Da ich das Prozedere jetzt hier nicht groß und breit erläutern will (vielleicht mache ich dazu später ja mal ein Tutorial), empfehle ich dir dieses Video hier. Der nette Mann erklärt die Vorgehensweise leicht und verständlich.
Youtube-Direktlink
Viele Grüße, Thomas