Um es gleich vorweg zu verraten: bei der Überschrift habe ich ein wenig gemogelt, denn GIMP bietet keine automatisierten Möglichkeiten an, um Techniken wie das Exposure Blending oder HDR (DRI) durchzuführen. Ich zeige euch jedoch, wie ihr mit GIMP das Exposure Blending mit ein paar Handgriffen manuell druchführen könnt.
DRI – eine kurze Erläuterung
Bei der Technik des DRI (Dynamic Range Increase) werden von ein und demselben Motiv mehrere Aufnahmen mit unterschiedlicher Belichtung übereinandergelegt. Die unterschiedlichen Belichtungszeiten werden so zu einem einzigen Bild kombiniert, dass über- und unterbelichtete Bereiche weitgehend vermieden werden und mehr Details erhalten bleiben. Mit DRI (Kontrastumfangserhöhung) lässt sich der Dynamikumfang deiner Aufnahmen verbessern und aktuell werden hierfür zwei Methoden verwendet:
Exposure Blending (Belichtungsvermischung)
Mit Hilfe von Ebenen und Masken werden hierbei verschiedene Belichtungen überblendet. Wie ihr ja wisst, beherrscht GIMP Ebenen und Masken und somit können wir das Bildbearbeitungsprogramm ohne größeren Aufwand für ein Exposure Blending nutzen.
HDR (High Dynamic Range)
Die Begriffe DRI und HDR werden gerne in einen Topf geworfen. Während beim Exposure Blending mit 8 Bit je Farbkanal gearbeitet werden kann, sind HDR-Aufnahmen jedoch in HDR-Grafikformaten mit 16 Bit oder mehr gespeichert. Im Vergleich zum Exposure Blending resultiert hieraus natürlich ein noch höherer Dynamikumfang der HDR-Bilder.
Pseudo-HDR vs. HDR-Fotografie
Eine sogenannte Belichtungsvermischung (Pseudo-HDR) ist einzig und allein eine Methode der digitalen Bildbearbeitung. Der Dynamikumfang des einzelnen Bildes wird hier nicht erhöht, weshalb der Begriff „Kontrastumfangserhöhung“ bzw. „DRI“ daher irreführend ist.
Technisch einfacher aufgebaut, verfolgt die Belichtungsvermischung ähnliche Ziele wie die HDR-Fotografie. Bei der HDR-Fotografie werden temporäre HDR-Bilder erzeugt, die anschließend mittels Tonemapping wieder in darstellbare Bilder konvertiert werden müssen. Der Prozess einer Belichtungsfusion ist im Allgemeinen schneller als die Erzeugung von HDR-Bildern, erreicht jedoch bei geeigneten Verfahren eine vergleichbare Qualität.
Vorbereitung für das Exposure Blending mit GIMP
Die Grundlage unserer Bildbearbeitung stellen natürlich DRI-Bilder dar. Wir benötigen also Fotos die exakt das selbe Motiv, jedoch in unterschiedlichen Belichtungszeiten, zeigen. Voraussetzung für solche Aufnahmen ist eine Kamera mit manueller Belichtungszeit oder der Option zu kompletten Belichtungsreihen. Um die Einzelaufnahmen später auch wirklich deckungsgleich übereinanderlegen zu können, empfehle ich dringend die Verwendung eines Statives in Kombination mit dem Selbstauslöser oder einer Fernauslösung. So werden alle Aufnahmen auch verwacklungsfrei festgehalten.
Die Anzahl der Einzelaufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungszeiten ist abhängig vom Motiv, dem Umgebungslicht und auch der eigenen Erfahrung. Ihr solltet mindestens 3 Aufnahmen festhalten – ein unterbelichtetes, ein normal und ein überbelichtetes Bild. Je mehr Aufnahmen vorhanden sind, desto mehr Möglichkeiten stehen euch später für die Montage in GIMP zur Verfügung.
Anleitung
Die folgenden vier Bilder habe ich am 23. Januar 2013 in Dresden aufgenommen. Sie zeigen den Dresdner Zwinger und ich habe mir aus meinen Aufnahmen diese vier unterschiedlichen Belichtungen ausgewählt. Die Aufnahmen sind mit einer 8er Blende, einer 18er Brennweite und ISO 200 mit meiner kleinen Nikon D60 im RAW-Format gemacht worden. Nicht das beste und neueste Modell, aber Verstärkung ist geplant. Das folgende Tutorial zeigt euch nun, wie ihr eigene Bilder mit verschiedenen Belichtungszeiten in GIMP mittels dem Exposure Blending manuell zusammenführt.
Da ich die Fotos im RAW-Format gespeichert hatte, konnte ich vor der Bearbeitung in GIMP noch ein paar Farbkorrekturen vornehmen. Dies ist aber in gewissem Maße auch mit dem fertigen Bild möglich.
Step 1
Wir öffnen die Bilder nun so, dass diese übereiander als Stapel im Ebenen-Fenster liegen. Am schnellsten geht dies über „Datei -> Als Ebene öffnen“.
Die Reihenfolge der Bilder ist hierbei sehr wichtig. Sie sollte unten mit dem Bild mit der kürzesten Belichtungszeit beginnen (2) (gewöhnlich das dunkelste Bild) und nach oben aufsteigen bis hin zum Bild mit der längsten Belichtungszeit (1) (das hellste Bild).
Step 2
Nun müssen wir bei allen Ebenen, abgesehen von der Untersten, einen Alphakanal hinzufügen. Dazu klicken wir jede Ebene mit der rechten Maustaste an und wählen aus dem Kontextmenü „Alphakanalhinzufügen“ (3) aus. Sind wir hiermit fertig, sollten die obersten (drei) Ebenen einen Alphakanal besitzen. Dies erkennen wir daran, dass die Schrift des Ebenennamens nicht mehr fett hervorgehoben ist.
Step 3
Nun beginnen wir, die überstrahlten Bereiche der obersten (hellsten) Ebene auszuwählen. Hierzu aktivieren wir das Werkzeug „Nach Farbe auswählen“. In den Werkzeugeinstellungen aktivieren wir anschließend alle Häkchen bis auf „Vereinigung prüfen“. Im Folgenden müssen wir für die Auswahl den Radius sowie den Schwellenwert einstellen. Für meine hellste Ebene habe ich für den Radius 13 (5) und für den Schwellenwert 155 (6) gewählt. Nach dieser Einstellung wählen wir die oberste Aufnahme im Ebenenfenster aus (8) und klicken mit dem Werkzeug auf den hellsten Punkt im Bild (4). Ich empfehle euch zur Kontrolle und um die Auswahl besser zu erkennen, die Auswahlmaske über die kleine Schaltfläche im Bildfenster links unten (7) zu aktivieren.
Step 4
Mit erneutem Klick auf die Schaltfläche im Bildfenster oder über „SHIFT + Q“ deaktivieren wir die Auswahlmaske wieder. Nun klicken wir mit der rechten Maustaste auf die oberste Ebene, mit welcher wir auch gerade die Auswahl erstellt haben und wählen aus dem Kontextmenü „Ebenenmaske hinzufügen“ aus. Im nun erscheinenden Dialog wählen wir die Option „Auswahl“ (9) und aktivieren das Häkchen bei „Maske invertieren“ (10). Dann bestätigen wir den Dialog mit der Schaltfläche „Hinzufügen“
Step 5
In Step 4 haben wir nun eben in der obersten Ebene den hellsten Bereich ausgewählt und entfernt. Um besser zu sehen, was wir gerade getan haben, blenden wir mit dem Augensymbol im Ebenenfenster bis auf die Oberste alle Ebenen aus. Wir können den entfernten bzw. noch sichtbaren Bereich nun deutlicher erkennen. Nach diesem Prinzip, die überstrahlten Bereiche zu entfernen, fahren wir nun Ebene für Ebene fort. Wir müssen hierbei lediglich die Werte in den Werkzeugeinstellungen für jede Ebene anpassen.
Step 6
Mit den nächsten beiden Ebenen wiederholen wir nun die Schritte 3 und 4. Wir verändern allerdings die Werte der Werkzeugeinstellungen des Werkzeugs „Nach Farbe auswählen“. Ich habe für meine zweite Ebene den Radius auf 13 und den Schwellenwert auf 120 gesetzt. Bei der dritten Ebene von oben habe ich hingegen nur noch den Wert 3 für den Radius verwendet und den Schwellenwert auf 40 reduziert. Am Ende besitzen die 3 obersten Ebenen jeweils eine Ebenenmaske, bei welcher die überstrahlten Lichter entfernt wurden. Die einzigen „richtigen“ noch angezeigten Lichter liegen auf der untersten Ebene.
Bei den Werten für Radius und Schwellenwert müsst ihr wirklich ein wenig probieren, welche Einstellungen zu euren Aufnahmen passen. Es hat ein wenig gedauert, bis ich für meine Nachtaufnahme die passenden Werte gefunden habe.
Step 7
Sollten in eurem Bild einige Bereiche nicht euren Vorstellungen entsprechen und euch die Option mit dem „Nach Farbe auswählen“-Werkzeug nicht genügen, so habt ihr natürlich auch die Möglichkeit, die Alphakanäle manuell anzupassen. Hierzu wählt ihr zum Beispiel einen weichen Pinsel mit geringer Deckkraft und einer passenden Größe. Im ausgewählten Alphakanal könnt ihr nun die gewünschten Bereiche mit der Farbe „Weiß“ oder „Schwarz“ abdecken oder freigeben. Malt mit dem Pinsel einfach mal in der Auswahlmaske herum und beobachtet, welcher Effekt auf der jeweiligen Ebene eintritt.
In meiner dritten Ebene von unten habe ich beispielsweise den Schnee im vorderen Bereich „abgedeckt“, indem ich diese Fläche im Alphakanal der dritten Ebene mit einem weißen Pinsel einmaskiert habe und so den Schnee aufgehellt habe. Auch an der Straßenlaterne habe ich im Licht ein paar manuelle Korrekturen vorgenommen. Solltet ihr Fragen hierzu haben, meldet euch einfach mit einem Kommentar.
Step 8
Am Ende brauchen wir nur noch eine der Ebenen im Ebenenfenster mit der rechten Maustaste anzuklicken und im Kontextmenü „Sichtbare Ebenen vereinen“ auswählen. Den folgenden Dialog bestätigen wir mit der Option „Nach Bedarf erweitern“ (11) und mit der Schaltfläche „Vereinen“ (12). Im Ebenenfenster haben wir jetzt noch lediglich einen Ebene vorliegen. Unser fertiges DRI-Bild.
Fertig
Fertig ist unser HDR-Bild bzw. korrekt gesagt unser Exposure Blending mit Hilfe vom GIMP. Ich hoffe es hat Spaß gemacht und dass ihr erfolgreich wart. Sollte euch das Tutorial gefallen haben, könnt ihr dies natürlich gerne auf Facebook, Google+ oder Twitter weiterempfehlen.
Wer übrigens auf der Suche nach dem alten GIMP-Pseudo-HDR-Tutorial von Thomas Trummer ist, kann sich dieses hier als PDF herunterladen: [Download nicht gefunden.]
6 Kommentare
Ich bin leider kein HDR Experte aber das HDR Bild spricht mich nicht sonderlich an. Ganz ehrlich finde ich das 3 sek Bild viel besser. Satter Kontrast, dunkle Töne zeigen noch Textur und die glanzlichter kommen viel besser raus. Zum Beispiel rechts der Sockel hinter der Lampe. Auf dem 3 Sek. Einzelbind sieht man noch das Relief, das verschwindet auf dem HDR Bild fast völlig und überhaupt wirkt es eher blass, verwaschen. Dann lieber kein HDR als HDR Bilder die mich nicht ansprechen. So, das war meine äußerst Subjektive Einschätzung ;)
gruß
Paul
Da kann ich Paul fast nur zustimmen: Zwei Sekunden Belichtungszeit hätten für meinen Geschmack wohl zu einem „optimalen“ Ergebnis geführt.
Das fertige Bild wirkt durchweg blass. Allerdings halte ich das Motiv auch für nicht wirklich HDR geeignet.
Hi,
Ich finde es grundsätzlich erstmal gut beschrieben, wie ich nun überhaupt ein HDR Bild erstelle. Mich würden aber zum einen noch interessieren, welche Werte bei z.b. 3 oder 5 Bildern empfehlenswert wären und zum anderen, wie sich jeweils das verändern des Radius und des Schwellwertes im Detail auf das fertige Bild ausübt.
Hi, ich finde diese HDR Bilder sehr interessant, würde das auch gerne mal versuchen, nur kann ich RAW Dateien nicht in GIMP öffnen. Ich habe mir zwar UFRAW runtergeladen, weiß aber nicht wie ich das in GIMP einbinden kann..
Für ne kleine Hilfe wäre ich sehr dankbar.
Mfg Oliver
PS: Ich finde das Bild klasse.
Hallo Oliver,
vielen Dank für Deinen Kommentar und das Lob. Es freut mich, wenn Dir der Beitrag gefallen hat. Gerne würde ich Dir natürlich auch bei der Lösung Deines Problems helfen. Ich habe folgende Anleitung gefunden, mit welcher die Installation von UFRaw sowie der RAW-Import mit GIMP gelingen sollte: https://www.digitipps.ch/software/ufraw-in-gimp-installieren/
Lass mich wissen, ob dieser Hinweis hilfreich war.
Beste Grüße,
Robert
Hi :) Danke für das Tutorial — das mit der Auswahl nach Farbe finde ich allerdings merkwürdig. Was hältst du stattdessen von der „Graustufenkopie der Ebene“, ggf. invertiert, die dort ebenfalls angeboten wird? Falls die Graustufen nicht kontrastreich genug sind, könnte man den Kontrast erhöhen. Was mich an der Auswahlmethode stört, ist, dass besonders weiche Kanten auf einmal härter ausgeschnitten werden, als sie im Bild vorkommen. Dementsprechend werden harte Kanten weicher ausgeschnitten, als nötig. Den passenden Radius zu finden, wirkt auf mich eher wie ein Versuch, die Graustufenkopie der Ebene so gut wie möglich nachzubilden. Da kann man dann einfach direkt die Graustufenkopie verwenden und sich den Aufwand mit der Auswahl sparen. Macht weniger Arbeit und sieht besser aus. :)