Wenn ihr euch beruflich in irgendeiner Form mit Typografie beschäftigt, ist euch der Begriff Ligatur sicherlich bekannt. Zwei oder mehr Buchstaben werden zusammen in einer Einheit kombiniert und als Ligatur bezeichnet. In der Typografie repräsentieren einige Ligaturen spezifische Aussprachen oder Wörter wie zum Beispiel AE oder ein æ Diphthong. Andere Ligaturen dienen lediglich dazu die Optik der Schrift aufzuwerten. Dazu gehören die typischen fl und fi. Alle Fakten zu typografischen und orthografischen Ligaturen sowie einige anschauliche Beispiele erwarten euch in meinem heutigen Artikel.
Begriffsdefinition der Ligatur
Der Begriff Ligatur bedeutet „Verbindung“ (lat. Ligari). In der Medizin und Musik wird der Begriff Ligatur ebenfalls geprägt. Besonders in der Mensuralmusik verwendet, werden mit einer Ligatur, auf einer Silbe gesungene Noten zu einer Gruppe zusammengefasst. In der Medizin ist die Ligatur die abschnürende Unterbindung von Blutgefäßen. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege Ligaturen in der Typografie zu unterteilen: typografische und orthografische Ligaturen.
Typografische Ligaturen
Sie verfolgen, wie der Name schon sagt, rein typografische Zwecke. Hier gibt es zwei unterschiedliche Arten:
Kollisionsligaturen
In den Tagen des Bleisatzes hatten einige Buchstaben die Eigenschaften physisch mit darauf folgenden Buchstaben zu kollidieren. Um dies zu beheben, haben findige Schriftsetzer die problematischen Buchstaben zusammen auf einen Bleiletter gebracht.
Die häufigsten Ligaturen beinhalten, wegen seiner ungewöhnlichen Form, den Kleinbuchstaben f. Andere Gründe Ligaturen anzuwenden sind auch, weil sie praktisch sind oder einfach dekorativ.
Der heute eigenständige Buchstabe ß ist ursprünglich eine Ligatur gewesen. Auch das Kaufmanns-Und „&“, das meist in Firmennamen als Ersatz für „und“ gebraucht wird, hat sich aus einer Ligatur der Buchstaben „e“ und „t“ entwickelt (lateinisch „et“ = „und“).
Bei digitalen Schriftsätzen existiert das Problem des physischen Zusammenstoßens zum Glück nicht mehr.
Bedingte Ligaturen
Bedingte Ligaturen dienen, wie der Name schon sagt, eher einem dekorativen Zweck. Sie schaffen Verbindungen zwischen Buchstaben, die weder typografisch, noch orthografisch notwendig wären, aber das Schriftbild interessanter bzw. abwechslungsreicher machen können. Kalligrafische Vorgaben dienen dabei als Inspiration.
Quelle: Emil Bertell on Behance
Diese Ligaturen sollten mit Bedacht eingesetzt werden und sind in OpenType-fähigen Anwendungen auch standardmäßig deaktiviert. Die entsprechenden Option heißt in der Regel „bedingte Ligaturen“. Mit den bedingten Ligaturen ermöglichen manche Schriften noch mehr Ligaturvarianten als die konventionellen. So wird zum Beispiel ein „ct“ oder „st“ zur Ligatur. Die Funktion gibt es jedoch nur selten bei Schriften.
In jedem Falle sind alle vorstehend genannten Ligaturen jedoch als solches keine bedeutungstragenden Zeichen. Der rein typografische Zweck entfällt in der Regel schon dadurch, dass man zum Beispiel zwischen gemischter Schreibweise und Versalsatz wechselt. Eine fi-Ligatur wird natürlich im Versalsatz in die einzeln stehenden Zeichen F und I aufgelöst, da es hier bei einer normalen Laufweite nicht mehr zu einer ungewollten Kollision der Zeichen kommen kann.
In gleicher Weise führt das deutliche Sperren eines Textes dazu, dass die typografischen Ligaturen aufgelöst werden.
Orthografische Ligaturen
Diese Ligaturen dienen einem ganz anderen Zweck als typografische Ligaturen. Das beste Beispiel für diese Kategorie ist der Buchstabe „W“. Er wurde aus zwei aufeinanderfolgende V oder U abgeleitet. Deshalb bezeichnet man das „W“ im Englischen auch als „Double-U“. Im Gegensatz zu den typografischen Ligaturen sind orthografische Ligaturen nicht optional. Sie werden wie alle anderen Buchstaben des Alphabets behandelt. Deshalb existieren sie in der Regel auch als klein- und großgeschriebene Version. Typische orthografischen Ligaturen sind w / W, æ / Æ und œ / Œ.
Anwendung in InDesign und Photoshop
Mit OpenType-Schriften können in Schriften ein hoher Zeichenvorrat hinterlegt werden. Statt 256 Zeichen sind mit OpenType mehr als 16000 Plätze möglich.
Jedoch vergisst man oft bei der alltäglichen Arbeit die vielen Zusatzfunktionen, die sich mit den OpenType-Funktionen umsetzen lassen. InDesign kann jedoch hierfür sehr hilfreich sein. Es ordnet mit der Funktionsliste alle enthaltenen Zeichen. Anstatt selbst in der Glyphen-Tabelle nach den passenden Zeichen zu suchen, übernimmt InDesign die Arbeit.
Über das Zeichenpaletten-Kontextmenü gelangt ihr in der Rubrik „OpenType“ zu den jeweiligen Funktionen. Hier könnt ihr die meisten Funktionen nutzen, sofern sie in der Schrift vorhanden sind. Manche OpenType-Schriften nutzen teilweise nur das Format, jedoch nicht den Zeichenvorrat bzw. die Funktionen.
In Adobe Photoshop lassen sich die Ligaturen im Fenster „Zeichen“ einstellen. Wenn die Schrift keine Ligaturen unterstützt sind die entsprechenden Felder ausgegraut.
Einige Beispiele für kreative Ligaturen
Im Folgenden habe ich einige anschauliche Beispiele für auffällige Verwendung von Ligaturen zusammengetragen.
Lasst euch inspirieren!
Quelle: Travis Cooper
Quelle: Michael Spitz
Quelle: Kiss Miklós
Quelle: Jason Carne
Quelle: Thierry Fétiveau
Quelle: Chris Wharton
Quelle: Nicky Genov
Quelle: Evan MacDonald
Quelle: Corey Pontz
Quelle: Suzy Tuxen
Quelle: Harshit Saxena
Quelle: Brandon Rike
Quelle: Emil Bertell
Quelle: Enrique Hernandez
Quelle: Gustav Holtz
Quelle: Jeff Miller
Quelle: Siobhan Ford